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Regenerative Praktiken

Syntropische Agroforstwirtschaft - Was steckt dahinter?

16.06.2021
7 min
Grünes Agroforstsystem aus der Vogelperspektive
Inhaltsverzeichnis
69%

Die syntropische Agroforstwirtschaft setzt auf natürliche Prinzipien, um die Bodenfruchtbarkeit zu steigern und die Biodiversität zu fördern. Durch die Nachahmung von Waldstrukturen und die kontinuierliche Bedeckung des Bodens wird die Bodenqualität nachhaltig verbessert. Entdecke in diesem Artikel, wie diese Art der Bewirtschaftung den Wassergehalt des Bodens um bis zu 13 % steigern kann und somit - in Zeiten vermehrter Trockenperioden - eine wertvolle Lösung für Landwirte sein kann.

Kernaussagen:

  • Natürliche Prinzipien für nachhaltigen Erfolg: Die syntropische Agroforstwirtschaft nutzt natürliche Prozesse, die zur Optimierung der Bodengesundheit und Biodiversität führen können.
  • Effiziente Wassernutzung und Bodenschutz: Durch die kontinuierliche Bodenbedeckung und die Integration verschiedener Pflanzenschichten kann der Wassergehalt des Bodens um bis zu 13 % gesteigert und Erosion effektiv verhindert werden.

Was bedeutet der Begriff “syntropisch?”

Syntropie kann aus dem Griechischen abgeleitet und mit “zusammen, gemeinsam” übersetzt werden. Die Bezeichnung der syntropischen Landwirtschaft wurde von dem Schweizer Landwirt Ernst Götsch geprägt. Nach seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit in der Schweiz wanderte dieser nach Brasilien aus. Dort entwickelte er seine Bewirtschaftungsmethoden weiter.

Zitat aus dem Buch “Rebellen der Erde: wie wir den Boden retten - und damit uns selbst!" (S. 77) von Benedikt Bösel: “Beobachten, das Wort fällt hier auffällig oft. Aber arbeiten nach dem Götsch-Prinzip bedeutet eben, nur fünf Prozent der Zeit ins eigentliche Pflanzen zu investieren. Der Großteil der eigentlichen Arbeit ist das ständige Beobachten und Anpassen, Beobachten und Anpassen. Am Ende des Prozesses entstehen gesunde und nachhaltige Arbeitsgemeinschaften, die an Boden und Klima angepasst sind und das Potenzial haben, mehrere Ernten auf der gleichen Fläche zu produzieren.”

Ziel der syntropischen Landwirtschaft ist die Regeneration von Flächen durch deren Nutzung. Durch eine vielfältige Bewirtschaftung mit Fokus auf Bodengesundheit, Wasserkreisläufe und Mikroklima sollen produktive Ökosysteme geschaffen werden, die reich an Biodiversität sind. Jede Pflanze hat dabei einen festen Platz und eine besondere Bedeutung im Ökosystem. Asynchrone Ernten der verschiedenen Kulturen sollen den Erhalt des Ökosystems garantieren. Syntropische Landwirtschaft versucht damit, die natürlichen ökosystemaren Prozesse in Einklang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung bringen und dabei unabhängig von externen Betriebsmitteln zu sein.

Die 5 Prinzipien der syntropischen Agroforstwirtschaft

Syntropische Landwirtschaft und syntropische Agroforstwirtschaft sind aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes eng miteinander verwoben. Für die Etablierung eines erfolgreichen syntropischen Agroforstsystems gilt es verschiedene Dinge zu beachten:

1. Photosyntheseleistung maximieren

Syntropische Landwirtschaft geht davon aus, dass eine höhere Photosyntheseleistung mehr Gesundheit für das gesamte landwirtschaftliche System bedeutet. Daher wird angestrebt, diese für jede einzelne Pflanze zu maximieren. Es soll eine in Schichten dicht bepflanzte Fläche entstehen, die sich in der Zeit der Begrünung und Erntezeiten ergänzt.

Mögliche Maßnahmen:

  • Bäume werden in Kombination mit Sträuchern und bodendeckenden Pflanzen angebaut, um verschiedene Pflanzenschichten und einen möglichst hohen Bodenbedeckungsgrad zu schaffen. Diese Schichtung führt zu einer maximal effizienten Lichtausnutzung.
  • Die Integration von Rankpflanzen, die an größeren, stabilen Pflanzen hochwachsen können, maximiert die Nutzung der vertikalen Raumstruktur und erhöht damit die Gesamt-Photosyntheseleistung des Systems. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Gemenge aus Mais und Bohnen.

2. Anlage der Agroforstsystem in natürlicher Sukzession

Der syntropische Agroforst versucht, die natürlichen Ebenen eines Waldes mit Hilfe von Kulturpflanzen zu imitieren. Der Aufbau soll dabei die natürliche Sukzession nachahmen. Sukzession beschreibt die schrittweise Besiedlung eines Ökosystems durch die Natur. Das bedeutet, dass neben Bäumen auch Sträucher, Büsche und Gräser in das System integriert werden. Dabei werden die unterschiedlichen Bedürfnisse der Pflanzen, beispielsweise Licht, beachtet. Die Kulturen sollen sich gegenseitig ergänzen und nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Je länger das System bewirtschaftet wird, desto mehr Artenvielfalt entsteht.

Mögliche Maßnahmen:

  • Pflanzung von schnell wachsenden Bodendeckern, die den Boden vorbereiten und den Nährstoffkreislauf stabilisieren, gefolgt von mittelgroßen Sträuchern und langlebigen Bäumen, um die natürliche Sukzession zu imitieren.
  • Verwendung von Gründüngerpflanzen in der Anfangsphase, um die Bodengesundheit zu optimieren und eine Basis für ein langfristig gesundes Bodenökosystem zu bilden. Folgend darauf können Kulturpflanzen wie Gemüse und Obstbäume angebaut werden, die auf einem gesunden Boden besser gedeihen.
  • Auch der Anbau von Pflanzen mit komplementären Ressourcenbedürfnissen wird empfohlen. So hat die Integration von tiefwurzelnden Pflanzen wie zum Beispiel Luzerne neben flachwurzelnden Pflanzen den Vorteil, dass Nährstoffe und Wasser aus verschiedenen Bodenschichten genutzt werden können und weniger Konkurrenzdruck zwischen den Kulturen herrscht.

3. Bedeckte Böden

Der dritte Punkt ist auch in den Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft wiederzufinden: Der Boden sollte stets bedeckt sein, um Wasser zu sparen und Erosion zu verhindern. Die Bedeckung wird durch Mulch und eine hohe Bodenbedeckung durch lebende Pflanzen erreicht. Die hierfür genutzten Pflanzen sollten wiederum individuell auf die lokalen Boden- und Klimabedingungen abgestimmt sein.

Mögliche Maßnahmen:

  • Die Verwendung von organischem Material wie Stroh, Laub oder Kompost als Mulchschicht ist eine Möglichkeit, um Verdunstungen zu reduzieren. Dadurch kann die Bodenfeuchtigkeit aufrechterhalten und die Bodentemperatur reguliert werden. Zudem kann sich eine Mulchschicht positiv auf den Unkrautdruck auswirken.
  • Eine andere Option ist der Anbau von bodendeckenden Pflanzen wie beispielsweise verschiedenen Gräsern oder Klee sein, die gemulcht werden und auf dem Boden verbleiben, um das Bodenleben zu fördern und die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.
Mulchschicht aus Ernteresten und Stroh

4. Selektives Unkrautmanagement

Die Pflanzen sollten immer an den momentanen Zustand des Systems angepasst sein. Sofern dies nicht mehr gegeben ist und die Pflanzen in den verschiedenen Schichten des Agroforstes nicht zu den Licht- und Nährstoffverhältnissen oder zum pH-Wert und Humusgehalt des Bodens passen, gilt es diese zu entfernen und durch geeignetere Pflanzen zu ersetzen.

Mögliche Maßnahmen:

  • Eine Art selektiven Unkrautmanagements kann durch die Pflanzenwahl geschehen.  Bodendeckende Pflanzen konkurrieren mit unerwünschten Unkräutern um Ressourcen wie Licht, Wasser und Nährstoffe. Stark etablierte Bodendecker können Unkräuter natürlich verdrängen und so Ressourcen für die gezielt angebauten Kulturen bereitstellen.

5. Nutzung der Ökophysiologie von Pflanzen

Ökophysiologie beschreibt, wie sich Aufbau und Funktionen einer Pflanze an bestimmte Standortbedingungen anpassen. Die syntropische Agroforstwirtschaft möchte diese Anpassungen an bestimmte Ökosysteme größtmöglich ausnutzen, indem Pflanzen nur dort gepflanzt werden, wo sie ihre Funktionen ausführen können.

Mögliche Maßnahmen:

  • Die Kombination von Pflanzen, die sich gegenseitig unterstützen, zum Beispiel der Anbau von stickstoffixierenden Leguminosen neben stickstoffbedürftigen Kulturen.
  • Der Anbau von Pflanzen, die die natürliche Schädlingsbekämpfung unterstützen, wie zum Beispiel blühende Kräuter, die Nützlinge anziehen und gleichzeitig Schädlingspopulationen reduzieren und so den Einsatz von Pflanzenschutzmittel reduzieren und das syntropische Ökosystem stützen können.
Infobox: Versuchsergebnisse eines Versuchs in Frankreich  zeigen, dass das Anpflanzen von Blühstreifen in Fahrgassen die Anzahl an Marienkäfern und räuberischen Insekten erhöht.
Klee-Untersaat in hoher Maiskultur

Die Prinzipien zusammengefasst

Kurzum geht es in der syntropischen Landwirtschaft darum, aus der natürlichen Anpassung und Physiologie der Pflanzen den größtmöglichen Nutzen zu ziehen.  Die einzelnen Kulturen sollen sich dabei wie einzelne Puzzleteile zusammenfügen, die nur zusammen als gesamtes Bild eine syntropische Agroforstwirtschaft schaffen.

Unterschied zwischen Permakultur und syntropischer Agroforstwirtschaft

Die Grundgedanken der Permakultur und der syntropischen Landwirtschaft ähneln sich.

Die Bewirtschaftung eines Ackers oder Agroforstes in Permakultur erfolgt jedoch in einem allgemeinen Planungsrahmen. Dabei wird versucht, die Prinzipien “Fürsorge für die Erde, Fürsorge für die Menschen, unbegrenzter Konsum und gerechtes Teilen” zu erfüllen.

Syntropische Agroforstwirtschaft hingegen gibt einen klaren Weg für die Bewirtschaftung vor. Durchgeführte Maßnahmen können präzise in richtig und falsch eingeordnet werden. Pflanzen müssen sich immer sinnvoll in das Ökosystem des syntropischen Agroforstes einfügen und positiv einbringen. Dadurch grenzt sie sich von der Permakultur durch klare Regeln ab.

Effekte der syntropischen Landwirtschaft auf…

…den Wasserhaushalt des Bodens

Eine Studie aus Brasilien fand heraus, dass der Wassergehalt der Böden in syntropischen Agroforstsystemen bis zu 13 % höher ist als in ackerbaulichen Reinkulturen.  Zu den Faktoren, die wahrscheinlich für diese Unterschiede verantwortlich sind, gehören die Dichte und Schichtung der Baumkronen, die Art und Dicke der Streu, die organische Substanz des Bodens und die Verdichtung.

…das organische Material im Boden

In der syntropischen Agroforstwirtschaft werden dem Boden pro Jahr 5 bis 10 Tonnen organisches Material zugeführt - hauptsächlich durch Pflanzenreste, Schnittgut und Mulch in Form von Laub. Das organische Material optimiert die Bodenstruktur, erhöht die Nährstoffverfügbarkeit und fördert das Bodenleben, indem es als Nahrungsquelle für Bodenorganismen dient. Zusätzlich erhöht es den Humusgehalt des Bodens, was langfristig die Bodenfruchtbarkeit und Wasserspeicherkapazität verbessert sowie Erosion vermindert. Insgesamt trägt die regelmäßige Zufuhr von organischem Material zu einem gesunden, lebendigen und produktiven Bodenökosystem bei.

Synkopisches Agroforstsystem bei Benedikt Bösel in Brandenburg

… die Wirtschaftlichkeit

Syntropische Agroforstsysteme erfordern einen hohen Arbeitsaufwand und sind mit einer geringen Mechanisierung verbunden, was die Effizienz mindern, aber zugleich lokale Arbeitsplätze schaffen kann. Die Diversifizierung der Einkommensquellen durch den Anbau verschiedener Pflanzenarten ermöglicht es Landwirten, das Risiko von Marktschwankungen abzuschwächen und zusätzliche Einkünfte zu generieren. Dank der kontinuierlichen Ernten über das Jahr hinweg entsteht ein stabiler Cashflow, der die wirtschaftliche Sicherheit des Betriebs erhöht. Zwar sind hohe Anfangsinvestitionen erforderlich, doch langfristig bieten diese Systeme nachhaltige Erträge. Zusätzlich können Landwirte durch die natürlichen Prozesse im System Kosten sparen und von öffentlichen Förderprogrammen sowie Marktprämien für ökologische Produkte profitieren.

Nachhaltig mit Klim – das lohnt sich

Der Fokus der Regenerativen Landwirtschaft liegt, wie bei der syntropischen Landwirtschaft, stark auf dem Erhalt und der Optimierung gesunder Böden und den darin enthaltenen Ökosystemen.

Schaubild: 5 Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft

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Fazit

Die syntropische Agroforstwirtschaft bietet praktische Ansätze, um die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern und die Biodiversität zu fördern, indem sie natürliche Waldstrukturen nachahmt. Diese Methode kann helfen, landwirtschaftliche Flächen effizienter zu nutzen und den Wasserhaushalt zu stabilisieren. Die im Artikel beschriebenen Prinzipien können verwendet werden, um Anbaumethoden zu optimieren und die langfristige Gesundheit von Böden zu sichern. Mit diesen Strategien kann eine solide Basis für eine nachhaltige und produktive Zukunft in der Landwirtschaft geschaffen werden.

FAQs

Welchen Einfluss hat die syntropische Agroforstwirtschaft auf den Boden?

Die syntropische Agroforstwirtschaft wurde ursprünglich in Brasilien entwickelt, um gerodete oder gebrannte Böden wieder fruchtbar zu machen. Sie hilft, die Bodenstruktur zu stabilisieren, den Boden mit mehr Nährstoffen zu versorgen und das Bodenleben durch organisches Material wie Pflanzenreste und Mulch zu fördern. Dadurch steigt der Humusgehalt, der Boden kann mehr Wasser speichern und Erosion wird reduziert, was insgesamt zu einem gesunden und produktiven Boden führt.

Welche sind die 5 Prinzipien der syntropischen Agroforstwirtschaft?
Die syntropische Agroforstwirtschaft strebt danach, die Photosyntheseleistung zu maximieren, indem Pflanzen mit verschiedenen Wuchshöhen angebaut werden, und den Faktor Licht durch einen möglichst hohen Bodenbedeckungsgrad maximal effizient zu nutzen. Sie imitiert die natürliche Sukzession von Wäldern, indem Pflanzen, die sich ergänzen, schrittweise in das System eingegliedert werden. Der Boden wird durch Mulch und bodendeckende Pflanzen stets geschützt, um Erosion zu verhindern und Wasser zu sparen. Unerwünschte Pflanzen werden selektiv entfernt und durch passende Kulturpflanzen ersetzt, um die Harmonie im Ökosystem zu wahren. Schließlich nutzt die syntropische Landwirtschaft die Ökophysiologie der Pflanzen, indem sie Pflanzen einsetzt, die optimal an die Standortbedingungen angepasst sind und sich gegenseitig unterstützen.

Welche Pflanzen können genutzt werden?
Für ein erfolgreiches Agroforstsystem ist es wichtig, bei der Wahl der Pflanzen auf eine standortgerechte Auswahl zu achten, die den spezifischen Bodenbedingungen, dem lokalen Klima und den Wasserverhältnissen entspricht, um eine optimale Entwicklung und Ertragsfähigkeit der Pflanzen zu gewährleisten. Zudem wird empfohlen, die Pflanzen zu säen statt Setzlinge zu verwenden, um eine tiefere, robustere Wurzelentwicklung, eine bessere Anpassung an lokale Gegebenheiten und natürliche Wachstumszyklen zu unterstützen.