Exploration der Scope 3-Emissionen im Lebensmittelsektor

Um ein Puzzle zusammenzusetzen, müsst ihr bestimmte Strategien anwenden. Der erste und einfachste Schritt besteht darin, alle Teile auf einer Fläche auszubreiten. Dann müssen die Teile nach Farben und Formen sortiert werden, wobei man natürlich die Eckteile herausfischen muss. Nach und nach wird das Puzzle schließlich zu einem Bild.

So verhält es sich mit jeder Organisation von Menschen (Unternehmen, Regierungen, gemeinnützige Organisationen), die planen, Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Zuerst müssen sie herausfinden, wie viel sie emittieren. Dann müssen sie die Art der Emissionen bestimmen, was durchaus verwirrend sein kann, da ihre indirekt erzeugten Emissionen die direkten Emissionen eines anderen sind! Glücklicherweise gibt es von Fachleuten erstellte branchenspezifische Rahmenwerke, die Unternehmen bei diesem Unterfangen unterstützen.

Dieser Artikel konzentriert sich speziell auf das Emissionspuzzle des Lebensmittelsektors, weil (1) Lebensmittel ziemlich lecker sind und (2) der Lebensmittelsektor für ¼ der weltweiten Emissionen verantwortlich ist. Mit ein paar Anpassungen der landwirtschaftlichen Praktiken kann die Lebensmittelindustrie jedoch dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen zu verringern. 

Erstes Eckteil: Der Geltungsbereich des Greenhouse Gas Protocol

Das GHG-Protokoll wurde im Rahmen einer Partnerschaft zwischen dem World Resource Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entwickelt. Es widmet sich der Festlegung globaler Rahmenbedingungen für die Messung und Verwaltung von Treibhausgasemissionen und ist der weltweit am häufigsten verwendete Standard für die Bilanzierung von Treibhausgasen. 

Es wird zwischen zwei Arten von Emissionen unterschieden: direkte und indirekte

Direkt: Emissionen aus unternehmenseigenen oder kontrollierten Quellen.

Indirekt: Emissionen, die durch die Handlungen der berichtenden Einrichtung verursacht werden, deren Quelle aber nicht im Besitz oder unter der Kontrolle der berichtenden Einrichtung ist.

Im GHG-Protokoll werden die direkten und indirekten Emissionen in drei Bereiche unterteilt: 

Scope 1:

alle direkten Emissionen.

Scope 2:

indirekte Emissionen aus eingekauftem Strom, Wärme oder Gas.

Scope 3:

alle anderen indirekten Emissionen aus den Prozessen, die den Betrieb eines Unternehmens ermöglichen, deren Quelle sich jedoch nicht im Besitz oder unter der Kontrolle des Unternehmens befindet.

Bei Scope 3 handelt es sich im Wesentlichen um die Emissionen aus der Wertschöpfungskette. Diese machen einen Großteil der Emissionen eines Unternehmens aus - im Durchschnitt 80 % im Lebensmittelsektor - und können aufgrund der Vielzahl der Schritte und Akteure in der Lieferkette schwer messbar sein. Gleichzeitig stellt die Erstellung eines Scope-3-Inventars für Lebensmittelunternehmen eine äußerst wertvolle Gelegenheit dar, zu untersuchen, wie das Klimarisikomanagement in die Sicherheitsbewertungen und -prognosen der Wertschöpfungskette einbezogen werden kann.

Zweites Eckstück: Untersuchung der Scope-3-Kategorien im Lebensmittelsektor

Nachdem wir uns nun damit beschäftigt haben, was Scope 3 ist und warum es wichtig ist, das Thema frontal anzugehen, können wir die direkten Anwendungen auf spezielle Aspekte des Lebensmittelsektors untersuchen. 

Die Wertschöpfungskette eines Lebensmittelunternehmens und damit auch die Scope-3-Emissionen setzen sich in erster Linie aus vor- und nachgelagerten Aktivitäten zusammen. Zu den vorgelagerten Aktivitäten gehören die Prozesse und Menschen, die für die Bereitstellung der benötigten Ressourcen/Materialien verantwortlich sind. Die nachgelagerten Aktivitäten umfassen jene, die für den Vertrieb der Produkte an die Kund:innen verantwortlich sind. Eine vorgelagerte Aktivität könnte zum Beispiel der Anbau von Weizen sein, während eine nachgelagerte Aktivität das Lebensmittelgeschäft ist, welches das fertige Mehl verkauft. Scope-1- und Scope-2-Emissionen würden bei der Umwandlung von Weizen in verpackte Mehlprodukte anfallen. 

Diese beiden Kategorien helfen uns bei der Betrachtung des Lebenszyklus eines Lebensmittels und der Bereiche, in denen auf diesem Weg Treibhausgase freigesetzt werden.

Wir können die vorgelagerten Aktivitäten des Lebensmittelsektors weiter in aufeinander folgende Emissionsquellenkategorien unterteilen: Vorproduktion, landwirtschaftliche Produktion und Nachproduktion. Die Begriffe werden im Folgenden definiert:

Vorproduktion:

Herstellung von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln (z. B. Düngemittel).

Landwirtschaftliche Produktion:

direkt über landwirtschaftliche Praktiken (z. B. Methanemissionen von Wiederkäuern) oder indirekt über Landnutzungsänderungen (z. B. Entwaldung).

Nachproduktion:

Lebensmittelverarbeitung, Verpackung, Transport, Kühlung, Einzelhandel und Verbraucher:innenabfälle.

Drittes Eckstück: Emissionen vom Feld bis auf den Teller

Die landwirtschaftlichen Praktiken der Produktionskategorie machen 23 % der gesamten vom Menschen verursachten Nettoemissionen aus. Rechnet man die Emissionen aus der Vor- und Nachproduktion hinzu, entfallen auf die Lebensmittelsysteme bis zu 37 % aller menschlichen Netto-THG-Emissionen

Um den Schulterschluss zum Scope-3-Rahmen wieder herzustellen:  für ein Unternehmen, das sich auf die Herstellung von verpackten Lebensmitteln konzentriert, würden die Vorproduktion und die landwirtschaftliche Produktion als indirekte Emissionsquellen kategorisiert werden. Die einzigen direkten Emissionen kämen aus der Nachproduktion und würden daher in den Bereichen 1 und 2 erfasst werden. Vertrieb und Einzelhandel würden dann wieder zu den indirekten Emissionen des Bereichs 3 gehören.

Unternehmen des Lebensmittelsektors müssen die Wechselwirkungen der Wertschöpfungskette mit der Vorproduktion, der landwirtschaftlichen Produktion und der Nachproduktion verstehen, um ihre größten Emissionsquellen zu ermitteln. Da die Emissionen vor Ort 23 % der gesamten anthropogenen Netto-Emissionen ausmachen, aber auch unter die Scope-3-Kategorien der Vorproduktion fallen, müssen Unternehmen diesen übermäßigen Teil ihres Fußabdrucks messen und reduzieren. Auch wenn die Emissionen aus dem Bereich 3 - Transport und Vertrieb - sicherlich große Reduktionsanstrengungen wert sind, sollten sie nicht vom Fokus auf die Reduzierung der Emissionen aus Landnutzungsänderungen und landwirtschaftlicher Produktion ablenken. 

Viertes Eckstück: Wo die Chancen für den Lebensmittelsektor liegen 

Angesichts der von Covid-19 anfälligen Lieferketten gibt es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um die Risiken entlang der eigenen Wertschöpfungskette zu bewerten und zu managen. Während der Schwerpunkt eines Scope-3-Rahmens auf der Festlegung von Netto-Null-Zielen liegt, sollten Unternehmen die Gelegenheit nutzen, um Risiken und Kosten zu managen, die Beziehungen zu ihren Lieferanten zu verbessern, eine umweltfreundliche Marktdifferenzierung zu schaffen und zukünftige Ernten zu sichern.

Die Erstellung eines Scope-3-THG-Inventars und die Durchführung von Reduktionsprojekten sollte eine unmittelbare Aufgabe sein, die das Potenzial für langfristige wirtschaftliche Gewinne birgt. Eine kürzlich von Deloitte durchgeführte Studie ergab, dass die Weltwirtschaft durch eine rasche Beschleunigung der Netto-Null-Umstellung in den nächsten 50 Jahren um 43 Billionen US-Dollar (3,8 % BIP-Anstieg) wachsen würde. Untätigkeit in Bezug auf das Klima würde die Welt dagegen 178 Billionen US-Dollar (7,6 % des BIP) kosten. 

Die landwirtschaftliche Produktion macht 4 % des globalen, und in einigen Ländern bis zu 25 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. In Anbetracht des ökonomischen Wertes des Agrarsektors beschleunigen sich Wachstum und Innovation in der Branche rapide, Investoren nutzen die sich bietenden Chancen. Damit sich alle Akteure des Landwirtschaftssektors, von Kleinbauern bis zu transnationalen Konzernen, inmitten der umweltpolitischen Veränderungen besser positionieren können, ist es unerlässlich, dass Unternehmen ihre Klimaauswirkungen, Risiken und Chancen verstehen. Einfach ausgedrückt: Lebensmittelunternehmen sollten (1) wissen, wie sie ihre Emissionen im Einklang mit dem Pariser Abkommen senken können, (2) die wirtschaftlichen Risiken des Klimawandels verstehen und (3) erkennen, welche Chancen der Übergang zu Netto-Null-Emissionen bieten wird (weitere Informationen finden sich in diesem PwC-Bericht). 

Da die Scope-3-Emissionen den Großteil der landwirtschaftlichen Emissionen ausmachen, sind die vor- und nachgelagerten Komponenten der Wertschöpfungsketten die größten Bereiche, in denen Auswirkungen, Risiken und Chancen für Unternehmen der Lebensmittelbranche identifiziert werden können. Regenerative Landwirtschaft bietet einen äußerst effektiven Weg in Richtung Netto-Nullproduktion und ist ein wirksames Mittel zur Senkung von Emissionen, zur Begrenzung sozialer und ökologischer Risiken und zum Kostenmanagement. Schätzungsweise bis zu 11 Milliarden Tonnen CO2 könnten durch die Umstellung auf eine Regenerative Landwirtschaft jährlich in den Böden gespeichert werden, was nahezu ⅓ der jährlichen Emissionen fossiler Brennstoffe entspricht. Regenerative landwirtschaftliche Praktiken, die in landwirtschaftliche Betriebe integriert und diesen vorgeschaltet werden, dekarbonisieren Wertschöpfungsketten und tragen dazu bei, die Klimaziele zu erreichen. 

Die vier Eckteile sind gesetzt!

Die Formulierung von Netto-Null-Zielen und das Angehen von Lieferketten sind zwei der wirkungsvollsten Strategien, um den Klimawandel zu bekämpfen und Ernährungssicherheit zu schaffen. Dabei ist es wichtig herauszufinden, wie hoch die Scope-3-Emissionen Eures Unternehmens sind, was anfangs durchaus kompliziert sein kann. Die vier Eckstücke des Net Zero Puzzles erleichtern euch hoffentlich den Start. 

Weitere Informationen zur Messung, Reduzierung und Berichterstattung von Scope-3-Emissionen findet ihr in den kommenden Newslettern!

Scope 3 in den Nachrichten

- Die Security and Exchange Commission (SEC) hat eine Regelung zur Offenlegung der Klimabilanz vorgeschlagen

- Microsoft führt eine interne Kohlenstoffgebühr ein, um Scope-3-Emissionen zu begrenzen.

- Erfahrungsbericht über den Stand der Berichterstattung über Treibhausgasemissionen im Lebensmittelsektor.

Daniela Unsin

Als Marketing und Partner Managerin bei Klim überblickt Dani alle Bereiche, die die Rolle von Regenerativer Landwirtschaft für Unternehmen angeht. Ihre Expertise reicht von der Beratung zur richtigen Strategie für Partner bis zur Kommunikation über regenerative Maßnahmen. Mit der Verbundenheit zur Landwirtschaft, durch ihre Kindheit auf einem eignen Betrieb, weiß sie auch welche Bedeutung die Umstellung auf Regenerative Landwirtschaft für Landwirt:innen bedeutet.

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