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Reporting und Regulatorik

FAQ: Vorschlag der EU-Kommission zum Carbon Farming

23.4.2023
5 min

Letzte Woche hat die EU-Kommission einen lang erwarteten Verordnungsvorschlag zur Zertifizierung von Kohlenstoffentfernungen aus der Atmosphäre vorgelegt. Das Ziel ist es, einen hochwertigen Kohlenstoffabbau zu gewährleisten und innovative Technologien zur Kohlenstoffabscheidung zu fördern. Landwirt:innen, Forstwirt:innen und Industrie spielen dabei entscheidende Schlüsselrollen für die Abscheidung, das Recycling und die Speicherung von CO2. Deshalb sollen Akteur:innen durch geeignete CO2-einsparende Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft Kohlenstoffzertifikate generieren und dafür finanziell entlohnt werden können.

Kernaussagen:

  • Der neue Vorschlag der EU enthält konkrete Anforderungen für CO2 Zertifikate
  • Die Landwirtschaft kann als aktive Kohlenstoffsenke eingesetzt werden, z.B. durch Humusaufbau oder Agroforstwirtschaft
  • Quantifizierung, Zusätzlichkeit, langfristige Speicherung und Nachhaltigkeit sind die Hauptkriterien für Zertifikate
  • Die Klim Herangehensweise stimmt mit den vorgeschlagenen Kriterien überein

Was ist das Ziel des Vorschlags?

Die EU hat sich mit dem Green Deal zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Im Sektor Landnutzung, Landnutzungsveränderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) hat die EU das Ziel, bis 2030 einen CO2-Abbau von 310 Mio. Tonnen zu erreichen. Neben der übergeordneten Verringerung der CO2-Emissionen sollen vorhandene Emissionen aus der Atmosphäre entnommen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht die Kommission als Instrument ein einheitliches Zertifizierungssystem für die CO2-Entnahme vor. Damit soll ein europäischer Binnenmarkt für die CO2-Speicherung und -entnahme entstehen. Der neue Vorschlag enthält konkrete Anforderungen der Zertifikate für den Carbon Market im Landwirtschafts- und Forstbereich. Außerdem legt er die Überprüfung und Zertifizierung der CO2-Entnahme durch Dritte, die Verwaltung von Zertifizierungssystemen und die Arbeitsweise der Register fest. Bis 2028 soll ein einheitliches System etabliert werden, welches das Monitoring, Reporting und Accounting von CO2-Einsparmaßnahmen ermöglicht.

Was sind die Kernaussagen des Vorschlags?

Der Vorschlag setzt einen EU-weiten freiwilligen Rahmen, der eine zuverlässige und hochwertige Zertifizierung garantieren soll. Bisherige Probleme wie fehlendes Vertrauen bisheriger Zertifikate, fehlende Vergleichbarkeit und Barrieren bei der Finanzierung sollen durch das einheitliche Zertifizierungssystem gelöst werden. Das neue Zertifizierungssystem soll Anreiz für Akteur:innen in der Land- und Forstwirtschaft schaffen, CO2-einsparende Maßnahmen umzusetzen und Carbon Farming als neues Geschäftsmodell zu nutzen. In dem Vorschlag werden drei Arten der Kohlenstoffspeicherung berücksichtigt: Dauerhafte Speicherung durch industrielle Technologien, klimaeffiziente Landwirtschaft und CO2-Speicherung in Produkten wie z.B. Holz oder gebundenem Carbonat. Die Landwirtschaft kann als aktive Kohlenstoffsenke eingesetzt werden, z.B. durch Humusaufbau oder Agroforstwirtschaft.

Was sind die zentralen Kriterien für den Zertifizierungsrahmen?

Die Zertifikate müssen eindeutige Vorteile für das Klima haben und Umweltziele erfüllen. Der Vorschlag sieht vor, dass die Zertifizierung nach den sogenannten QU.A.L.ITY-Kriterien erfolgt:

  • Quantifizierung: Die Tätigkeiten zur CO2-Maßnahmen müssen messbar sein und eindeutige Vorteile für das Klima bringen. Durch hochpräzise Modelle auf Basis von AI und maschinellem Lernen sollen die CO2-Maßnahmen in der Landwirtschaft kosteneffizient gemessen werden.
  • Additionality (Zusätzlichkeit): Die Maßnahmen müssen über Standardverfahren und gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen hinausgehen. Um den administrativen Aufwand möglichst gering zu halten, soll ein standardisiertes Ausgangsszenario verwendet werden, welches Standardverfahren, Regulierungs- und Marktbedingungen genau definiert.
  • Langfristige Speicherung: Das CO2 muss dauerhaft im Boden gespeichert werden. Das Zertifikat ist nur dann gültig, wenn die organische Substanz im Boden gespeichert ist. Die Länge der Speicherung wird auf den Zertifikaten angegeben und es wird zwischen dauerhafter und vorübergehender Speicherung unterschieden. Kann die Dauerhaftigkeit nicht nachgewiesen werden, so verfällt das Zertifikat am Ende des Überwachungszeitraums. Die Risiken sollen über einen Haftungsmechanismus eingedämmt werden.
  • Sustainability: Die Maßnahmen müssen Nachhaltigkeitsziele in Bereichen wie Klimaschutz und Anpassung an Klimawandel, Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme, Kreislaufwirtschaft sowie Wasser- und Meeresressourcen unterstützen.

Welchen nationalen Entscheidungsspielraum wird es geben?

Der Vorschlag bietet auf nationaler Ebene einen erheblichen Handlungsspielraum. In diesem Rahmen können sowohl öffentliche als auch privatwirtschaftliche Zertifizierungssysteme der EU-Mitgliedstaaten zugelassen werden. Die Einrichtung eines öffentlichen Zertifizierungssystems wird nicht verpflichtend sein, sondern soll durch die individuelle Nutzenbetrachtung der einzelnen Staaten entschieden werden. Öffentliche Mittel können zum Beispiel im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), durch staatliche Beihilferegelungen oder Innovationsfonds ausgezahlt werden. Die finanziellen Mittel der GAP sollen Landwirt:innen helfen, über die verbindlichen rechtlichen Anforderungen von Carbon Farming hinauszugehen. Deutschland könnte den GAP-Rahmen z.B. als Instrument nutzen, um mithilfe von Eco-Schemes Anreize für Carbon Farming zu schaffen. Eine private Finanzierung könnte hingegen dadurch erfolgen, dass Lebensmittelunternehmen Landwirt:innen für den zusätzlichen CO2-Abbau belohnen und im Gegenzug ihre CO2-Bilanz verbessern. Die Zertifizierung soll durch Dritte überprüft werden.

Wie sieht das Finanzierungsmodell der EU aus?

Das Finanzierungsmodell der EU sieht vor, dass sowohl private als auch öffentliche Betreiber:innen einen Antrag auf ein Zertifizierungsprogramm der EU-Kommission einreichen können. Nach der Annahme müssen die Betreiber:innen der Zertifizierungsstelle einen Management- und Monitoring-Plan vorlegen. Die jeweiligen Zertifizierungsstellen müssen der Kommission bis zum 30. April jeden Jahres einen Bericht vorlegen. Eine unabhängige Zertifizierungsstelle soll die Einhaltungen regelmäßig überprüfen und zur Überwachung der Gutschriften die Zertifikate in einem öffentlichen Zertifizierungssystem registrieren.

Was sind die nächsten Schritte der EU?

Das veröffentlichte Dokument ist ein Verordnungsvorschlag der EU-Kommission, welcher im nächsten Schritt im EU-Parlament und -Rat beraten wird. Die finale Umsetzung wird sich dementsprechend noch weiter in die Zukunft ziehen. Auf Grundlage der Qualitätskriterien wird die Kommission mit Unterstützung einer Expert:innengruppe parallel Methoden für die verschiedenen Arten von CO2-Maßnahmen entwickeln. Die erste Sitzung der Expert:innengruppe ist für das erste Quartal 2023 geplant. Das Zertifizierungssystem kann genutzt werden, sobald die Kommission die Zertifizierungsmethoden anerkannt hat - konkrete Termine wurden hierzu allerdings noch nicht genannt.

Wie bewertet Klim den Vorschlag?

Aus unserer Sicht ist es höchste Zeit, dass ein einheitlicher Standard zur Zertifizierung von CO2 Speicherungen und Reduzierungen definiert wird. Das schafft Handlungssicherheit und Vertrauen für alle Beteiligten in der Kette. Jedoch ist der Verordnungsentwurf zu weit gefasst: Wenn Nationalstaaten zwischen entweder öffentlichen, privaten oder haushalterisch finanzierten Systemen auswählen müssen und diese individuell ausgestalten, besteht das Risiko einer Aufsplitterung in 28 Einzellösungen. Die Vision eines einheitlichen Zertifizierungsmechanismus wird dabei leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Stattdessen muss die Verordnung zu einer echten Vereinheitlichung beitragen und das freiwillige Engagement privatwirtschaftlicher Unternehmen stärker unterstützen. Dazu muss die einwandfreie Anrechenbarkeit von Klimaschutzzertifikaten in den Unternehmensbilanzen ermöglicht werden. Die Rechnung ist simpel: Anrechenbarkeit schafft Anreize und Anreize schaffen Zahlungsbereitschaft. So wird der Topf für Mittel, die dem Klimaschutz zu Gute kommen, größer statt kleiner. Die Finanzierung von Carbon Farming über die generell immer knapper ausgestattete Gemeinsame Agrarpolitik gefährdet stattdessen diese Anrechenbarkeit. Die nationalen Regierungen täten daher gut daran, die Hand von den Zertifikaten zu nehmen und allenfalls die Umsetzung mitzugestalten, z.B. indem mit Forschung und Entwicklung das Monitoring des Humusaufbaus verbessert wird.

Hinzu kommt: Wenn die Finanzierung von Carbon Farming Initiativen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik kommt, bleiben damit zwangsläufig andere Förderziele, wie z.B. Tierwohl und Biodiversität auf der Strecke.

Damit das zarte Pflänzchen des Carbon Farming zur vollen Blüte gelangt, sind also noch einige Hege- und Pflegemaßnahmen notwendig. Gut, wenn Landwirt:innen im Land diese Entwicklung hörbar mitgestalten, anstatt sich einmal mehr gestalten zu lassen.  

Inwiefern stimmt der Inhalt des Vorschlags mit dem Vorgehen von Klim überein?

Wir zertifizieren Produkte im privatwirtschaftlichen Bereich: Lebensmittelunternehmen können Landwirt:innen für die Speicherung und Reduzierung von CO2 vergüten und erhalten im Ausgleich unsere Zertifikate, um so den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte zu reduzieren. Bei den regenerativen, landwirtschaftlichen Maßnahmen handelt es sich um Lösungen, die neben der CO2-Speicherung und Reduzierung eine Reihe weiterer positiver Effekte wie die Erhöhung der Biodiversität gewährleisten. Die Qualität unserer Zertifikate wird durch Kriterien gesichert, die in den QU.A.L.ITY-Kriterien des Vorschlages wiederzufinden sind, darunter die Quantifizierbarkeit, Additionalität, Permanenz und Nachhaltigkeit (7 SDGs). Mit unserem Modell bieten wir geeignetes Monitoring, Reporting und Accounting für die CO2-Zertifizierung. Zudem arbeiten wir Hand in Hand mit Lebensmittelunternehmen, um die Zertifikate möglichst innerhalb einer Wertschöpfungskette zu generieren und zu vergeben. Damit schaffen wir für alle, Umwelt, Unternehmen und Landwirt:innen, einen greifbaren und transparenten Nutzen.

Was bedeutet der Vorschlag für das Geschäftsmodell von Klim?

Zunächst nichts Negatives. Zum einen weil der Vorschlag bereits mit vielen unserer Herangehensweisen übereinstimmt und zum anderen weil so potentiell Einheitlichkeit und Transparenz geschaffen wird. Der EU Vorschlag beinhaltet den institutionellen und privatwirtschaftlichen Sektor, sodass beide Seiten in das Carbon Farming eingebunden werden können. Zudem befindet sich die EU noch am Anfang eines langen Prozesses, bis wir schließlich wissen, wie das Ergebnis aussehen wird. Es ist wichtig, dass für die Finanzierung von der institutionellen Seite zusätzliche Mittel bereitgestellt werden, anstatt GAP-Mittel dafür zu nutzen.

Nicht zuletzt wollen wir als Klim über unsere DIN Spec Initiative, welche aus vielen verschiedenen Vertreter:innen aus der Privatwirtschaft, Forschung und Politik besteht, Einfluss auf die weitere europäische und nationale Ausgestaltung der Verordnung nehmen, um einen für alle Beteiligten einen langfristig gangbaren Weg zu ebnen.

Update vom 23. März 2023:

Klim hat gemeinsam mit Vertreter:innen des DIN Spec Konsortiums im Rahmen der Feedbackrunde, die vom 01. Dezember 2022 bis 23. März geöffnet war, eine Stellungnahme zu dem EU-Vorschlag zum Carbon Farming veröffentlicht. Wir bestätigen darin unsere grundsätzliche Zustimmung und schlagen einige Anpassungen vor. Wir würden die Verwendung einer spezifischeren Terminologie und die ausdrückliche Erwähnung der verschiedenen Arten von Kohlenstoffentfernungen begrüßen. Zudem empfehlen wir eine klare Rahmenstruktur, die Anreize schafft für private Marktinvestitionen in kohlenstoffarme Technologien und Praktiken. Schließlich betonen wir die Notwendigkeit einer Regelung, die bestehende Methoden unterstützt und Innovationen zulässt, so dass sowohl öffentliche als auch privatwirtschaftliche Klimaschutzbemühungen effektiv zusammenarbeiten können. Unser gesamtes Feedback kann hier eingesehen werden.

Das DIN Spec Konsortium erarbeitet einen Standard zum Carbon Farming, der voraussichtlich Mitte des Jahres 2023 öffentlich zur Verfügung stehen wird.

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