- Erste Schritte zur Kohlenstoffbilanzierung im Lebensmittelsektor
- Aufbau eines Treibhausgasinventars
- Erhebung von Daten zur landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette
Es gibt einen Grund dafür, dass wir uns jedes neues Jahr gerne Vorsätze und Ziele für uns selbst setzen. Die Forschung hat herausgefunden, dass Menschen nach zeitlichen Meilensteinen eher dazu neigen, ihr Leben aus einem größeren Blickwinkel zu betrachten und infolgedessen Unzulänglichkeiten zu erkennen, an denen sie arbeiten und die sie verbessern können.¹ Der "Neuanfangseffekt" ist ein Begriff, den Psycholog:innen geprägt haben, um dieses Muster zu beschreiben.
Der Klimawandel stellt die Menschheit vor einen zeitlichen Meilenstein: Ökosysteme, mit denen sich Gesellschaften seit Tausenden von Jahren entwickelt haben, werden in einem nie dagewesenen Ausmaß zunehmend zerstört. Dies erfordert von uns, dass wir uns das "Business-as-usual" neu vorstellen. Weltweit werden bereits einige wirklich coole Veränderungen an den Lebensmittelsystemen vorgenommen. Aber um Praktiken wie die Regenerative Landwirtschaft zu verbreiten und die Emissionsziele zu erreichen, müssen sich die Unternehmen erst einmal mit den Feinheiten der Kohlenstoffbilanzierung vertraut machen. Denn wenn wir nicht wissen, wie viel wir emittieren, werden wir nie wissen, wie viel wir verbessert haben!
In der letzten Ausgabe haben wir die Scope 3 Emissionen vorgestellt und erklärt, wie wichtig sie für die Dekarbonisierung der Lebensmittelwertschöpfungsketten sind. In dieser Ausgabe werden wir den Weg der Emissionsmessung in drei Schritte unterteilen:
- Erstellung des Treibhausgasinventars
- Sammeln von Daten
- Nutzung eurer Daten
Bevor wir auf die einzelnen Schritte eingehen, ist es wichtig, die Bedeutung des Timings im Prozess der Kohlenstoffbilanzierung zu unterstreichen. Die Wertschöpfungskette im Lebensmittelsektor ist besonders komplex: Landwirtschaftliche Betriebsmittel, Maschinen und Lieferant:innennetzwerke stellen eine Vielzahl von vorgelagerten Emissionsquellen dar. Das Sammeln von Emissionsdaten ist keine einfache Aufgabe. Die Kohlenstoffbilanzierung bietet jedoch eine einzigartige Gelegenheit für eine hochgradig sektorspezifische Risikominderung und strategische Planung.
Ein Treibhausgasinventar ist ein Aufbewahrungsort für Emissionsdaten, die die Wertschöpfungskette eines Unternehmens produziert (ihre Scope 3 Emissionen). In diesem Sinne erzählt ein Emissionsinventar die Geschichte des Lebenszyklus eines Produkts. Es kann uns sagen, wo und wer entlang der Wertschöpfungskette die meisten Treibhausgase ausstößt und welche Anstrengungen zur Emissionsreduzierung daher vorrangig sein sollten.
So werden beispielsweise die meisten Emissionen bei der Rindfleischproduktion von den Rindern auf dem Bauernhof freigesetzt. Während die Transportemissionen reduziert werden sollten, sollte die Priorität auf der Reduzierung der Emissionen von Rindern liegen.
Wenn ein Unternehmen beginnt, über die verschiedenen Schritte in seinem Produktlebenszyklus nachzudenken, kann die Komplexität seiner Wertschöpfungskette die Aufgabe überwältigend machen. Der "Greenhouse Gas Protocol Corporate Value Chain (Scope 3) Accounting and Reporting Standard" stellt zwei organisatorische Hilfsmittel zur Verfügung, die die Erstellung eines Inventars erleichtern: die Emissionsgrenze und die Scope-3-Kategorien.²
Die Emissionsgrenze eines Unternehmens ist gleichbedeutend mit dem Umfang seines Treibhausgasinventars. Ein einzelnes Produkt kann jedoch eine ganze Reihe von vor- oder nachgelagerten Emissionen verursachen, so dass es notwendig ist, irgendwo eine Grenze für die Emissionsberichterstattung zu ziehen, da die Aufgabe sonst zu anstrengend und kostspielig wird. Diese sechs Fragen helfen uns, diese Grenze zu ziehen:
Wenn Emissionsquellen als unwesentlich eingestuft werden, muss eine Begründung für diese Entscheidung angegeben werden. In der nächsten Tabelle sind die Emissionsarten aufgeführt.
Je nach Standort eurer Lieferkette sind einige dieser Kategorien im Lebensmittelsektor möglicherweise wichtiger als andere, aber im Allgemeinen stammt der Großteil der Emissionen im Lebensmittelsektor aus der landwirtschaftlichen Produktion.
Während die drei Emissionsbereiche praktisch jede Aktivität in der Wertschöpfungskette umfassen, verlangt der Leitfaden des GHG-Protokolls für die Landwirtschaft derzeit, dass bestimmte CO₂-Emissionen aus Landnutzungsänderungen unter einer separaten biogenen Kohlenstoffkategorie gemeldet werden.⁴ Die drei wichtigsten biogenen Aktivitäten sind die Bewirtschaftung der Kohlenstoffflüsse in der Landnutzung, die Sequestrierung von Landnutzungsänderungen (LUC) und die Verbrennung von CO₂ in Biokraftstoffen. Es lohnt sich, die Regeln für die Berichterstattung über biogene Prozesse genauer zu untersuchen, wenn eure Wertschöpfungskette besonders in die Landnutzungsbewirtschaftung involviert ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Treibhausgasinventar uns hilft, Emissionsdaten zu speichern. Die beiden Instrumente des GHG-Protokolls helfen uns dabei, die Art der Emissionsquelle in der Wertschöpfungskette zu identifizieren und festzustellen, an welchem Punkt wir aufhören, Daten zu melden. Nun können wir uns der Datenerhebung zuwenden.
Dieser Schritt besteht aus (1) der Auswahl der Lieferketten, (2) der Kontaktaufnahme mit den Lieferant:innen und (3) der Interpretation der Daten. Nach der Auswahl der zu priorisierenden Emissionsquellen und der Festlegung der Grenzen sollten die Unternehmen eine Lieferkette auswählen, die mit der Produktion eines bestimmten Materials in Zusammenhang steht.
Ein Beispiel: Reis hat aufgrund der Freisetzung von Methangasen einen hohen Kohlenstoff-Fußabdruck. Ein Getreideunternehmen, das Reis verwendet, könnte diesen als Investitionsgut für die Priorisierung der Emissionsreduzierung auswählen. Nach der Auswahl der Reiserzeugung als Schwerpunkt der Lieferkette sollten alle Schritte ermittelt werden, die für die Produktion von Reis erforderlich sind (d. h. landwirtschaftliche Betriebsmittel, Transport).
Anschließend sollten alle Lieferant:innen kontaktiert werden, um mit der Datenerhebung zu beginnen. Es kann hilfreich sein, Online-Fragebögen zu verschicken, sich virtuell zu treffen oder die Lieferant:innen persönlich zu besuchen, je nach Art der Emissionsquelle und der Abhängigkeit der Datenqualität von einer klaren Kommunikation.
Zu Beginn werden die Datensätze wahrscheinlich noch Lücken aufweisen, da Probleme mit den Messmethoden auftreten. Dies sollte jedoch die Emissionsmessungen nicht verhindern. Während Primärdaten von euren Lieferant:innen sicherlich die genaueste Darstellung der Emissionen eines Produkts sind, können Sekundärdaten Lücken in Datensätzen füllen.
Sekundärdaten können von ähnlichen Primärquellenaktivitäten in derselben Wertschöpfungskette oder von den durchschnittlichen Emissionen der Branche stammen. Nachdem die Datensätze gesammelt und im Inventar gespeichert sind, können wir uns daran machen, die Daten zu nutzen!
Nachdem wir nun eine Organisationsstruktur für die Ermittlung, Sammlung und Speicherung von Daten haben, können wir mit der Verarbeitung der Daten, der Durchführung von Qualitätskontrollen und der Entwicklung von Modellen beginnen.
Die Datenverarbeitung erfordert, dass die Unternehmen direkt mit den Lieferant:innen kommunizieren, um Messmethoden, unerwartete Ergebnisse und Empfehlungen für künftige Verbesserungen der Messungen zu überprüfen. Die Datenverarbeitung geht Hand in Hand mit der Bewertung der Qualitätskontrolle - beide sollten in eine konsistente Neubewertung der Lieferkettenstrukturen und der Produktionsmethoden der Zulieferer:innen integriert werden.
Nachdem die Datensätze fertiggestellt sind, können die Zahlen durch die Erstellung transparenter Modelle in die Praxis umgesetzt werden. Emissionsmodelle können die Auswirkungen von Umweltveränderungen oder Emissionsreduzierungen auf die Lieferketten vorhersagen und so Informationen zur künftigen Risikominderung liefern.
Dieser Prozess der Kohlenstoffbilanzierung ist unerlässlich, wenn die Unternehmen ihre Emissionsreduktionsziele erreichen wollen. Durch den Aufbau eines Systems zur Datenerfassung und zur ständigen Neubewertung der Gültigkeit der verschiedenen Methoden und Materialien, die im Mittelpunkt stehen, können die Reduktionsbemühungen gezielter und damit effizienter und effektiver umgesetzt werden.
Referenzen: [1], [2], [3], [4]